RESSORT

Auf dem Radar

«Und was ist Ihre Agenda?»

Nach drei Monaten Forschungsaufenthalt in Deutschland zieht der New Yorker Journalismus-Professor Jay Rosen Bilanz. Dazu sprach er mit 53 Medienschaffenden auf allen Stufen, quer durch alle Redaktionen. Seine Sicht auf den real existierenden deutschen Journalismus und seine Herausforderungen schliesst er mit einer einfachen Empfehlung, wie dem Vertrauensverlust begegnet werden könnte: «Ich werde derjenigen deutschen Redaktion eine Goldmedaille verleihen, die als erste ihre Schwerpunkte in der Berichterstattung öffentlich macht. Ich stelle mir eine Live-Funktion vor, die online frei zugänglich ist, ein redaktionelles Produkt, das wöchentlich oder bei wichtigen Ereignissen aktualisiert wird. Die Punkte auf dieser Prioritätenliste sollten das Ergebnis gründlicher Überlegungen und sorgfältiger Recherchen sein – und natürlich müssen sie die Realität spiegeln und bei den Bürgern ankommen.» Frage dann jemand, «und was ist Ihre Agenda», antworte man einfach mit dieser Liste.

Gelöschte Lösch-Doku oder Youtube beisst sich in den Schwanz

Kürzlich haben wir an dieser Stelle die aktuelle Arte-Doku «The Cleaners» über die harte Arbeit der Content-Moderatoren auf den Philippinen empfohlen, die im Auftrag von Youtube und Facebook unerwünschte Inhalte auf den Online-Plattformen löschen. Arte wollte seinen Film auch auf Youtube bewerben und stellte dazu einen Trailer bereit. Doch es dauerte nicht lange, bis das kurze Video entfernt wurde. Grund dafür sei angeblich schockierendes Bildmaterial, war das Einzige was Youtube dazu mitzuteilen hatte. Haben also die selben überforderten Niedriglohnkräfte, von denen die Dokumentation handelt, mal wieder zu schnell auf den Knopf gedrückt, fragt Alexander Fanta auf Netzpolitik.org, Oder war es eine automatisiertes System, das den Trailer aussortierte? Der betroffene Sende Arte weiss es auch nicht, Youtube schweigt zum Vorgang.

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Der historische Essay: zum Ende der «Frankfurter Zeitung» 1943

Vor 75 Jahren, am 31. August 1943, erschien die letzte Ausgabe der «Frankfurter Zeitung». In den fast neunzig Jahren seit ihrer Gründung im Jahr 1856 war die FZ zu einer der angesehensten und einflussreichsten deutschen Zeitungen geworden. Doch 1943 war «der Untergang der Freiheit in Deutschland besiegelt», wie sich die damalige FZ-Redaktorin Elisabeth Noelle-Neumann (1916-2010) in einem Essay in der FAZ im Juni 2002 erinnerte. Später wurde Noelle-Naumann bekannt als Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach.

Einblicke in die Transformation des «Spiegel»

Der Chefredaktor des «Spiegel» muss nicht nur eine Redaktion führen, sondern gleichzeitig den digitalen Umbau des Unternehmens vorantreiben. Klaus Brinkbäumer ist an dieser Doppelaufgabe gescheitert und wurde entlassen. In der «Zeit» beschreibt Götz Hamann kenntnisreich das Innenleben des «Spiegel» und zeigt, wie komplex die Herausforderungen sind, ein traditionsreiches Medienhaus in die digitale Gegenwart zu führen. Ernsthaft Sorgen zu machen um den «Spiegel», braucht man sich aber offenbar nicht. Denn, so schreibt Hamann: «Blickt man auf die vergangenen Jahre, dann liefert der Spiegel-Verlag einen Beweis nach dem anderen dafür, wie robust er ist. Denn die Organisation hat bisher alles überstanden, vier Chefwechsel in zehn Jahren und auch die Anzeigen- und Auflageneinbrüche.»

Eine kurze Geschichte der Telefonkabine in der Schweiz

In den nächsten Jahren werden die Telefonkabinen komplett aus dem öffentlichen Raum verschwunden sein. Seit diesem Jahr ist die Swisscom nicht mehr verpflichtet, die Publifone zu unterhalten. In einer «Art Nachruf» rekapituliert der Medienhistoriker Juri Jaquemet im Blog des Nationalmuseums die Geschichte dieser «Leitfossilien der Festnetztelefonie», wie er die Telefonkabinen nennt. Von den Anfängen im 19. Jahrhundert, als öffentliche Sprechstellen den ersten und einzigen Zugang zur Telefonie boten, über die ersten freistehenden Telefonkabinen in den 1930er-Jahren, den Boom in der Nachkriegszeit, bis zum unaufhaltsamen Niedergang mit dem Aufkommen der Mobiltelefone, zeichnet Jaquemet die Geschichte der Telefonkabine in der Schweiz detailliert und reich illustriert nach.

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Sarrazin auf Kriegsfuss mit den Fakten

Die Süddeutsche Zeitung nennt das neue Buch von Thilo Sarrazin das «verlegerische Unglück» des Jahres. Das meint Rezensentin Sonja Zekri vor allem mit Blick auf den Umgang Sarrazins mit den Fakten. Beispiel: Die islamische Welt kenne bis ins 20. Jahrhundert weder Literatur noch planvollen Städtebau, behauptet Sarrazin: «Eine eigenständige islamische Baukultur hat sich nie entwickelt.» Könnte man für solchen Unsinn ein lebenslanges Zutrittsverbot der Alhambra verhängen, es wäre mehr als verdient, kommentiert Zekri. Das sei vor allem für all jene Leserinnen und Leser ein Problem, die meinen, sich mit dem Buch kritisch informieren zu können.

50 Jahre Schweizer Farbfernsehen

Am 1. Oktober sind es 50 Jahre her, seit in der Schweiz das Farbfernsehen eineführt wurde. Bundesrat Roger Bonvin präsentierte die Neuerung am Bildschirm mit dem Befehl: «Es sei nun Farbe!». Und aus schwarz-weissen Pflanzen wurden bunte Blumen. 1968 standen gerade mal 5000 TV-Geräte in Schweizer Haushalten. Kein Wunder auch: Kostete ein Fernsehapparat damals 3000 Franken.