RESSORT

Auf dem Radar

Prozess gegen Deniz Yücel beginnt in Istanbul

Es ist ruhig geworden um ihn, seit er im Februar aus dem Gefängnis in der Türkei entlassen wurde. Doch nun rückt Deniz Yücel wieder ins Rampenlicht. Gegen den während eines Jahres inhaftierten ehemaligen Türkei-Korrespodenten der «Welt» beginnt heute in seiner Abwesenheit der Prozess in Istanbul. «Yücel wollte diesen Prozess, um seine Unschuld zu beweisen», schreibt ARD-Korrespondentin Karin Senz. Veysel Ok, der Anwalt des Journalisten, wird beantragen, dass die Vorwürfe fallengelassen werden. Dass Yücel Propaganda für eine Terrororganisation gemacht hat, dass er Menschen aufgestachelt haben soll, sei für den Anwalt absurd, schreibt Senz weiter. «Unter normalen Bedingungen müsste das Verfahren eingestellt werden.» Aber in der Türkei herrschen nun mal keine «normalen Bedingungen».

Vor dem Entscheid über die Abschaffung des freien Internets

In einer Woche entscheidet das Europaparlament über eine Reform des Urheberrechts, die weitreichende Konsequenzen für die Nutzerinnen und Nutzer des Internets hätte. Zum einen sollen sogenannte Upload-Filter eingeführt werden, womit mögliche Urheberrechtsverletzungen automatisch erkannt werden sollten, so wie das heute Youtube macht beim Hochladen der Videos. Kritiker erkennen darin ein Zensurpotenzial, wenn eine Software entscheidet, was Rechtens ist und was nicht. Ausserdem soll auf europäischer Ebene ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Verlage eingeführt werden, womit die Verlinkung von Medieninhalten entschädigungspflichtig würde. Das Fachmagazin golem.de beschreibt die Lobbyschlacht, die eine Woche vor dem Entscheid hinter den Kulissen läuft.

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Trolle sind wir alle

Adrian Daub, Literaturprofessor an der Stanford University, versucht sich in der NZZ an einer Typologie des Internet-Trolls. Wobei, wie er schreibt, von einem eigenen Typus nur bedingt gesprochen werden könne. Denn «Trolle sind wir alle, manchmal, unter den richtigen (oder falschen) Umständen.» Grund dafür sei unter anderem, dass wir Staat, Gesellschaft und Institutionen in einem Modus permanenter Enttäuschungsbereitschaft begegneten. «Wir verlangen Dinge ultimativ und in einem Ton, der klarstellt, dass wir nicht wirklich annehmen, sie zu erhalten. Die Position metaphysischer Verlassenheit, aus der der Troll seinen Guerillakrieg gegen den Mainstream führt: Wir alle kennen ihre Verlockung.»

Storys hier, Storys da, Storys überall (aber wie macht man die eigentlich?)

Snapchat hat sie bekannt gemacht, Facebook und Instagram bringen sie in den Mainstream: es geht um sogenannte Storys. Gemeint ist damit eine «Sammlung von Bildern und kurzen Videos – angereichert mit optionalen Infoebenen und -effekten». Marcus Bösch bietet in seinem Blog einen kurze Einführung in das (nicht mehr ganz so) neue Format. Was tun, wenn man auch Storys produzieren will? Er empfiehlt den bewährten Innovationszyklus: «Beobachten, Analysieren, Ausprobieren, Evaluieren und Anpassen und wieder vorne starten.» Dabei lohne es sich, ausgewählte Beispiele genauer unter die Lupe nehmen, anstatt querbeet alles mögliche anzuschauen (und doch nicht zu verstehen). Was bei Storys genauso gilt wie früher schon bei Online- und Social-Media-Kommunikation: Niemand hat auf die Medien gewartet, es gibt auch ohne sie schon ein Fülle an Storys, die das Publikum begeistern. Dennoch wahrgenommen zu werden, funktioniere «durch Regelmässigkeit, glaubhaften Dialog auf Augenhöhe, Experimentierfreude und vor allem Media Literacy. Wer die gegenwärtigen Codes, Memes, Eigenheiten und Referenzen nicht versteht und nicht beherrscht, begibt sich unwissend ins Aus.»

«Wir können leider kein Honorar zahlen»

Wieder mal sei auf eine grassierende Unsitte hingewiesen. Immer öter verlangen Redaktionen von Freelancern für umsonst ihre Arbeit zu liefern. Aktuell weiss der deutsche Journalist Dennis Horn davon zu berichten. Ein Satz, den er in letzter Zeit ein paar Mal gehört habt, lautet: «Wir können leider kein Honorar zahlen – aber Sie würden damit ja Ihren Bekanntheitsgrad steigern.» Auf die Nachfrage, warum das so sei, heisse es dann nur: man müsse sparen. Er lehne solche Deals dann in der Regel freundlich ab. Er hoffe, «dass Freiberufler, sofern sie dazu in der Lage sind, grundsätzlich so verfahren. Redaktionen lernen nämlich nur, dass journalistische Leistungen nun einmal Geld kosten, wenn sie ohne dieses Geld einfach gar nichts bekommen.»

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Populäre Umgehungstechnologien

Nach dem Ja zu einem neuen Geldspielgesetz in der Schweiz, das Netzsperren gegen ausländische Online-Spielangebote vorsieht, stellt einer der grösseren Anbieter von VPN-Diensten fest: «Wir haben in diesem Monat 20 Prozent mehr Anmeldungen aus der Schweiz und denken, das könnte einen Zusammenhang haben mit dem neuen Geldspielgesetz.» Ob es diesen Zusammenhang gibt oder nicht: Tatsache ist, dass sich Umgehungstechnologien wie VPN (steht für Virtual Private Network) grosser Beliebtheit erfreuen. Der bisher populärste Anwendungsfall sind Länderblockaden beliebter Online-Dienste. Wenn man also im Land X einen Film streamen möchte, der aber nur in Land Y zugänglich ist (sog. Geoblocking), dann hilft VPN. Reto Widmer von der SRF Digitalredaktion bietet einen aktuellen Übernlick zur aktuellen (Rechts)lage rund um VPN und Geoblocking.

Der ORF und ein «ganz problematisches Verständnis von Journalismus»

Im österreichischen Rundfunk ORF kursiert ein Vorschlag, die Regeln für die Social-Media-Kommunikation seiner Journalistinnen und Journalisten massiv zu verschärfen. Gemäss einem Entwurf soll sich das Personal auch privat nicht mehr wertend gegenüber Politikern und politischen Institutionen äussern dürfen. Die Journalistin und Social-Media-Experting Ingrid Brodnig kritisiert diese weitreichende Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit. Ein grosses Problem sieht sie darin, dass damit «schlimmstenfalls ein ganz problematisches Verständnis von Journalismus» begünstigt würde. Es sei nämlich «dezidierte Aufgabe von Journalisten (inklusive öffentlich-rechtlichen Journalisten) auf Missstände innerhalb unserer Gesellschaft hinzuweisen – und diese als Missstände zu benennen (was sowohl eine Wertung als auch eine Kritik ist).»